Vortrag - Opferschutz und aktuelle Strafrechtsausweitung

In einer Gemeinschaftsveranstaltung des Vereins Criminalium und des Vereins Kriminalprävention-Gießen e.V. hielt am Donnerstag den 18.09.2015 Prof. em. Dr. Arthur Kreuzer einen Vortrag im Polizeipräsidium Mittelhessen zu dem Thema Opferschutz und aktuelle Strafrechtsausweitungen.

Vorausgegangen war ein Festvortrag des Referenten anlässlich des Jubiläums „20 Jahre Gießener Hilfe“ im September 2014 im Landgericht Gießen. Er fand starke Beachtung, war aber geladenen Gästen vorbehalten. Auf vielfachen Wunsch und wegen seiner Aktualität wird er nun in erweiterter Form einem breiteren Publikum geboten.

Der Referent geht im ersten Teil auf den strafrechtlichen Opferschutz in Geschichte und Gegenwart sowie auf Grenzen des Opferschutzes im Strafverfahren ein. Überlegungen zu einem noch ausstehenden Konzept von Opferschutz werden angestellt.

 

Im zweiten Teil werden ausgewählte aktuelle Ansätze eines präventiven Opferschutzes diskutiert. Bereiche empfehlenswerter Neuregelungen  werden beispielhaft aufgezeigt (Projekte „Kein Täter werden“; Einrichtung von Landes-Pflegebeauftragten als unabhängige, vertrauliche Ombudsstellen; tatnahe, vertrauliche polizeiliche Beratung für Verbrechensopfer).

Kritisch werden gegenwärtige gesetzgeberische Tendenzen zur Ausweitung des Strafrechts, namentlich des Sexualstrafrechts, beurteilt. Sie dienen nur vermeintlich dem Opferschutz. Sie folgen oftmals populistisch Forderungen von Bewegungen und Organisationen des Frauen-, Kinder- und allgemeinen Opferschutzes. Sie widersprechen strafrechtlichen Grunderfordernissen von Selbstbeschränkung („ultima ratio“), wissensbasierter Gesetzgebung, Bestimmtheit des Strafbaren, Abschätzung der Wirksamkeit, Umsetzbarkeit,  Belastungen für Polizei und Justiz. Dazu gehören: Ausweitung der Strafbarkeit von Vergewaltigung; Prostitutionsverbot durch Strafbarkeit von „Liebeskäufern“; Ausweitung der Strafbarkeit von Pornografie (Fall Edathy). Außerhalb des Sexualstrafrechts geht es um moralisierende Strafausweitungen bei  „Hassverbrechen“ und Sport-Doping.

Zuletzt werden Bereiche noch zu prüfender sinnvoller Ausweitung gesetzlichen Opferschutzes erörtert: Der Umgang mit Verurteilten, die ihr Schweigen über Opfer beibehalten; der Opferschutz im Strafvollzug (Opfer der Tat und  Opferwerden Gefangener in der Haft); die staatliche Opferentschädigung.

 

Prof. em. Dr. jur. Arthur Kreuzer habiltierte sich im Jahr 1975 – nach einer dreijährigen Tätigkeit als Richter einer Jugendkammer des Landgerichts und als Dozent an der Universität Hamburg – für Kriminologie und Strafrecht  mit der Schrift  „Drogen und Delinquenz“.  Er war seit 1976 bis zu seiner Emeritierung  2006 Inhaber der Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht  und Strafvollzug sowie Direktor des Instituts für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Bis jetzt wirkt er in Forschungs- und Beratungsgremien von Politik und Verbänden, u.a. Hessischer Landespräventionsrat und „Weißer Ring“,  mit. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und zahlreicher wissenschaftlicher Ehrungen und Auszeichnungen. Von ihm liegen mehr als 600 Publikationen in vielen Bereichen ( insbesondere zur Dunkelfeldforschung, Jugend- und Alterskriminologie, Suchtforschung, Strafvollzug, Kriminalprävention und Kriminalpolitik) vor. Er publiziert zudem in Tages- und Wochenzeitungen. Jüngst ist sein Buch „Das Verbrechen und wir -  Essays zur Einführung in Kriminologie und Kriminalpolitik“ (2014) erschienen; demnächst erscheint die Realsatire „Kriminologen – Kriminalisten – andere Kriminelle“.  

 

Peter Gast